VIP: Als Powerfrau im Reich der Scheichs
Doris Hecht träumte davon, Diplomatin zu werden, dann rutschte sie in die Hotellerie und fand dort ihren Traumjob. Die Chance, Generalmanagerin zu werden, winkt ihr dort, wo man es am wenigsten vermuten würde: In Abu Dhabi, beim Park Hyatt Hotel and Villas, Saadiyat Island. Ein Gespräch über die Möglichkeit, als Powerfrau ganz oben anzukommen.
Ihr Auftritt bitte: Blazer, Hose, Bluse, alles in Weiß. Über ihrem Arm hängt eine edle Designertasche. Sündteuer muss sie gewesen sein, aber schließlich ist man in Abu Dhabi, einem der reichsten Ländern der Welt. Wo denn sonst, wenn nicht hier, lässt sich Luxus und Stil rund um die Uhr lustvoll ausleben. Der Song zu ihrem Erscheinen müsste lauten: „This boots are made for walking“ von Nancy Sinatra. So powerful und dynamisch beschwingt tritt sie auf.
Es überrascht nicht zu hören, wo ihr Tag beginnt: „Jeden Morgen eine Stunde im Gym-Studio.“ Danach fährt sie eine halbe Stunde über die Autobahn von einer Satellitensiedlung, wo sie mit ihrer Familie wohnt, zu ihrem Arbeitsplatz. Abu Dhabi besteht aus einem Labyrinth der langen Wege, die sich zwischen Kanälen, Lagunen, Seen in der Wüstenödnis winden. Alles was an Botanik grünt, muss künstlich bewässert werden. Nur Saadiyat Island ist eine Ausnahme. Sie bildet die einzige Insel, die sich direkt zum Meer öffnet. An diesem Ort zeigt sich die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate von der schönsten Seite. Das Meer strahlt blau wie auf den Malediven. Die neun Kilometer lange Küste ist zum Naturschutzgebiet erklärt. Während in der Ferne die Skyline glitzert, huschen aus dem Gestrüpp auch mal Rehe, auf die sogar ein Verkehrswarnschild hinweist. Als erstes Strandresort wurde hier 2013 das Park Hyatt Hotel & Villas eröffnet.
Gegenwärtig führt Doris Hecht als „Kapitän auf dem Schiff“ das Kommando. Kommissarisch vertritt sie den vorigen GM, dessen Vertreterin sie schon war. Wie steht es mir der Chance, von Nummer Zwei dauerhaft zu Nummer Eins aufzusteigen?
„Im gleichen Haus, wo man tätig ist, ist es nicht üblich“, erklärt Doris Hecht die Praxis. „Bei Hyatt wird ein neuer GM in der Regel zu einem anderen Objekt delegiert.“
Man verfährt nach dem „frischer Wind“-Prinzip. Denn: „Nach gewisser Zeit kann man in einem Haus betriebsblind werden. Als GM soll man unbelastet von Vorgeschichten diese Stelle übernehmen“, sagt sie. – Warum ist der Spitzenposten generell meist in Männerhänden?
Doris Hecht: „Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich kann nur für mich sprechen. Meine Ambitionen wurden von Hyatt und meinen bisherigen GM’s immer unterstützt. Hyatt hat ein spezielles Förderungsprogramm entwickelt, bei dem Top Talente ausgewählt und weitergebildet werden, um für die Rolle des GM’s vorbereitet zu sein. Die Kriterien für die Teilnahme an der Foundation for the Future sind Qualität und Kompetenz und bestimmt nicht das Geschlecht. Natürlich braucht man die Unterstützung der Familie. Da habe ich sehr großes Glück gehabt. Mein Mann und meine Kinder stehen voll hinter mir.“
Das Gespräch führen wir in „The Library“ des Park Hyatt, zu der sich das Café anschließt. Terrakottafarbene Wände, klassisches Möbeldesign, duotonale Fotos in Schwarz-Weiß mit Eiffelturm und Pariser Boulevards. In der Vitrine locken nebst Sachertorten auch sizilianische Cannolli. Der Cappuccino schmeckt wie auf der Via Veneto. Doris Hecht hat ein Faible für Italien, neun Jahre verbrachte sie in Mailand, bei Hyatt, was sie als ihren Glücksbringer bezeichnet.
Doris Hecht: „Meine Kinder sind in einem Alter, in dem Sie sich sehr gut anpassen können. Das viele Umziehen sehen sie noch als ein Abenteuer. Beide besuchen die Deutsche Schule in Abu Dhabi, weil es mir wichtig ist, dass sie Deutsch lernen. Mein achtjähriger Sohn fragt schon, wo es als nächstes hingeht und meine zwölfjährige Tochter träumt von Tokyo und möchte Fotografin werden, weil sie auch später viel reisen möchte. Obwohl mein Mann seinen Beruf als Theaterschauspieler vorübergehend aufgeben musste, bereut er unsere Entscheidung zugunsten meiner Karriere in der internationalen Luxushotellerie nicht. Es dauert zwar seine Zeit, aber man kann sich immer integrieren, wenn man für Neues offen ist. Mein Mann arbeitet im Moment an der Abu Dhabi University und hat direkten Zugang zur arabischen Kultur, die unheimlich spannend ist.“
Mehr über die Hyatt Group erzählt Doris Hecht auch. Es ist eines der weltgrößten Konzerne für 4 und 5 Sterne Hotels (insgesamt 512), dessen Gründer auch den berühmten, nach ihm benannten Jay-Pritzker-Architekturpreis ins Leben rief. Zu den Award-Trägern zählt der kalifornische Stararchitekt Frank O. Gehry.
Der praktizierende Mormone Pritzker, der 1957 ein Motel kaufte und danach in rasendem Tempo einen Hotelkonzern aufbaute, heftete seinen Slogan einer „Hyatt-Familie“ nicht sinnentleert auf die Fahne. Talentförderung und fortlaufende Schulungen hielt er für den Grundstein zum Firmenerfolg. Dieses System erwies sich für Doris Hecht zukunftsträchtig. Seit 2003 im Hyatt-Dienst, erhielt sie 2015 nach einem Hyatt-Workshop in Doha das Angebot „kommen Sie doch zu uns nach Abu Dhabi“ persönlich von Federico Mantoani, dem damaligen GM bei Park Hyatt. „Natürlich musste ich es erst mit meiner Familie besprechen, aber es war schon lange mein Wunsch, auch in einem Resort tätig zu sein. Es funktioniert völlig anders als ein Stadthotel. Viel komplexer. Es kommt sehr auf die strategische Ausrichtung an. Dafür trägt der GM entscheidende Verantwortung.“
Doris Hecht stammt aus Ravensburg. Sie besuchte die Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Villingen-Schwenningen. Eine international anerkannte Einrichtung, die von Köchen bis zu Hotelmanagern umfassend Fachkräfte ausbildet. Ein Diplom in Französisch holte sie sich an der Universität in Montpellier. Das erste Praktikum war gleich eine gute Schule für den Umgang mit exponierten Gästen: Das Schlosshotel Bühlerhöhe von 1994 bis 1997 zu seinen Glanzzeiten im Besitz der Rafael-Gruppe. Damals gingen hier Politiker, Banker und Industrielle ein und aus.
Der weitere Aufstieg führte über Genf, das prestigeträchtige Hotel du Rhône, nach New York ins Four Seasons „The Pierre“. Mit Erfahrungen von Front Office bis zum Night Manager wechselte DorisHecht in das legendäre „George V“ in Paris, ebenfalls unter Four Seasons Regie. Nur das Hotel Ritz kann mit einer höheren Promidichte auftrumpfen. Als Assistentin der Direktion funkte das Schicksal in ihr Privatleben. Als einen Kollegen dessen Bruder besuchte, ließ sich Doris überreden, mit den beiden Herren in die Pariser Nacht auszugehen. Das Happy End: Liebe auf den ersten Blick. Der Bruder des Kollegen wurde zum Ehemann und Mailand, woher er kam, zu ihrer neuen Heimat.
Neun Jahre durchlief Doris Hecht bei Park Hyatt Milano alle operativen Stationen. Angefangen von Front Office Manager über Duty Manager bis zu Personalführung nach Markenstandards. Mit dem Wechsel nach Belgrad bekam sie die Aufgabe, den gesamten Bereich Rooms zu leiten. Es umfasste alle Bereiche von Front Office bis zur Wäscherei, von Housekeeping bis zur VIP-Lounge. „Die zwei Jahre in Belgrad waren sehr spannend. Die Stadt reißt einen mit seiner Dynamik und Vitalität mit. Ich wurde richtig Balkan-verliebt“, schwärmt Doris Hecht.
In Abu Dhabi beginnt ihr Arbeitstag gegen halb neun: „Mit Zahlen von gestern“, schmunzelt Doris. Die Bilanzen im Kopf, macht sie ihren Rundgang durch die Anlage. 450 Mitarbeiter aus 51 Nationen, Stichproben in 314 Zimmern. Unter dem Palmengeschwader inspiziert sie mit einem Betriebsingenieur die Poollandschaft. Zurück im Büro kommuniziert sie fast täglich mit der Verkaufsleiterin. Eine Engländerin mit 25 Jahren Erfahrung auf dem arabischen Hotelmarkt. „Beim Verkauf im Luxury Segment sind die richtige Strategie und persönlichen Kontakte entscheidend“, sagt Doris Hecht. Die Bezeichnung Park Hyatt Hotel & Villas deutet an, dass hier auch High Rulers verkehren. Eine Klientel, die die privacy in den Villas genießt und von persönlichem Koch sowie eigenem Personal bedient wird. Vor der Tür parkt dann die Flotte der Luxusautos. Mehr sieht man nicht.
Und noch eine Besonderheit gibt es. Park Hyatt ist wahrscheinlich das einzige Resort weltweit, dass eine Meeresbiologin beschäftigt. Der Job hängt mit dem strandweiten Naturreservat zusammen. Schon seit Jahrhunderten überqueren die seltenen Karettschildkröten von ihrem Instinkt geführt den Persischen Golf, um ihre Eier auf Saadiyaat Island zu legen. Nach dem anstrengenden Akt kehren sie ins Wasser zurück und schwimmen davon. Arabelle Willing aus London betreut als „Ersatzmutter“ die kleinen Schildpattbabys auf ihrem ersten mühsamen Weg über den breiten Strand zur ersten Schwimmübung. Durch diese Pflege wurde die schon zu 80 Prozent verschwundene Karettschildkröte gerettet. Ihre Population wächst wieder. Bei Arabelle, Tochter eines britischen Armeegenerals, können die Gäste auch Öko-Touren buchen, um die einzigartige Natur der Umgebung mit einem Segelschiff zu erkunden.
Die Berichte darüber erschienen schon in New York. Noch sind aber die meisten Gäste Deutsche. Doris Hecht fühlt sich mit ihrer Aufgabe dieses traumhafte Refugium zu leiten auf dem Gipfel, auch wenn sie offiziell noch kein GM ist. Die große Bewährungsprobe steht ihr bevor. Als unmittelbare Nachbarn öffneten zwei neue Luxusressorts ihre Pforten.“Die Konkurrenz ist eine neue Herausforderung“, sagt Doris Hecht.
Man spürt, sollte sie eines Tages beruflich weiter ziehen müssen, dieser Schritt würde ihr nicht leicht fallen. Ein Entschluss steht dennoch schon fest: „Wenn ich nochmals auf die Welt komme, möchte ich wieder in die Hotelerie gehen.“
THOMAS VESZELITS